Montag, 9:25Uhr.
Nach einem sehr entspannten Restsonntag, zieht es mich noch einmal zurück an die Marathonstrecke – und zwar zu KM37.
Da, wo die Lenhartzstraße auf den Eppendorfer Baum trifft, da, wo der Marathon schon zum richtigen Marathon erwachsen ist, da ist das Mutterland. Und genau da werde ich jetzt dekadent frühstücken.
Wie war es denn nun gestern, wie hab ich den Lauf erlebt?
Ich versuche mich zu erinnern…
Fangen wir mit dem Wetter an, das geht schnell. Es war perfekt!
Die Startaufstellung war verglichen mit den Vorjahren doch eher unkonventionell, unkompliziert. Einfach über die Absperrung klettern, rein in die Manege und gut is. Keine lästigen Ordner, die jeden Sportler verächtlich mustern und auf den richtigen Block (Startnummer) prüfen. Ich hatte ja eh die Pole in Block B. 🙂
Dann ging alles ganz schnell. Ich befreite mich von meinem Ganzkörpermüllsack, stellte die Flasche an den Rand und dann wurde auch schon runtergezählt. PENG…
Ein Marathonstart ist jedes mal eine wirklich unwirkliche Situation. In wenigen Sekunden löst sich alles auf, was sich über Wochen und Monate hochkomprimiert in Geist und Körper eingelagert hat. Schmerz, Kraft, Hoffnung…
Der erste Kilometer war mit 3:55 natürlich zu schnell. Nach drei Kilometern hatte ich das Tempo und Gewusel um mich herum aber im Griff.
Es ist unglaublich, wieviele Menschen frenetisch an mir vorbeizogen. Alle deutlich unter vier Minuten pro Kilometer. Und sehr viele von ihnen definitiv und sichtbar keine Unter-3-Stunden-Läufer.
Aber wie war das mit den Grundregeln. Lass sie laufen. Wir sehen und spätestens in Ohlsdorf.
Meine einzige Sorge galt meinem erhöhten Blasendruck. Fünfzehn Minuten vor dem Start hatte ich mir noch die ganze Flasche Wasser reingepfiffen, so wie es der Meister befohlen hatte. Und anhalten wollte ich um keinen Preis. (Musste ich auch nicht. Ich hab auch nicht mal zum Trinken ausscheren müssen.)
In Othmarschen gab es kurzzeitig Unruhen im Feld, da einige Leute plötzlich nach rechts bzw. links ausgescherten. Und dann sah ich selbst, was da vor mir auf der Straße lag: Eine überfahrene Ratte. Für die Kinder war das natürlich großes Kino. Sie schrien in Endlosschleife „Platte Ratte, Platte Ratte, …“.
Die Stimmung am Fischmarkt und an den Landungsbrücken war wie immer einzigartig. Dennoch hielt ich mich zurück und mein Tempo eher niedrig.
Im Wallringtunnel bei KM15 waren dann alle Aggregate auf Betriebstemperatur, so dass ich das Tempo hochschrauben konnte. Jungfernstieg, Lombardsbrücke, Außenalster… Das ging alles so schnell. In der Sierichstraße hatte ich bereits ein sehr gutes Gefühl. Halbmarathon in 1:26Std., das war perfekt. Und dann fing ich auch schon an, die ersten Läufer einzusammeln, die vor mir gestartet waren. Das Feld war bereits lang auseinandergezogen, als es am Johanneum vorbeiging und dann rein in den Stadtpark.
Ich lief konstant meinen 4er-Schhnitt. Das hab ich schließlich auch lange genug geübt. An der Liebesinsel stand dann Frank mit der Reserveflasche. Leider war die so voll, dass ich zuerst meine beiden Nachbarn vollgespritzt hab und sie (die Flasche) dann kurzerhand beim Schumachers in die Büsche gefeuert hab (ts ts ts). Danke trotzdem!
Weiter zur Alten Wöhr, hoch zur Fuhle und dann war ich auch schon in der City Nord. Trotz der Wechselzone für Staffelläufer war die Atmosphäre dort eher verhalten und etwas gespenstisch. Es ging mir aber immer noch ziemlich gut und ich wollte endlich nach Ohlsdorf. Ein Gefühl wie die Ruhe vor dem Sturm. „Wann geht der Marathon endlich los, wann kann ich endlich testen, was ich in mich reingeprügelt hab, wird es reichen?“
Bei Kilometer 30 wurde tatsächlich Cola ausgeschenkt. Was soll das? Bei KM40 hätte ich es verstanden. Also schnell weiter nach Ohlsdorf – meinem persönlichen Point of No Return. Seit ich da vor zwei Jahren ausgestiegen bin, hab ich eine gewisse Hassliebe zu dieser Stelle entwickelt. Mit dem gestrigen Tage sollte das aber ein für alle male geklärt sein. 🙂
Attacke! Bis KM35 konnte ich das Tempo dann tatsächlich nochmal erhöhen, auch das hatte ich oft trainiert. Auf meine Marschtabelle hatte ich zu dieser Zeit schon lange nicht mehr geguckt. Aus den letzten Kilometern wusste ich aber, dass ich sehr gut in der Zeit lag. Klar, dann fängt man schon mal an zu rechnen. Selbst wenn ich jetzt 5min gehen würde oder in den 5er-Schnitt runterfallen müsste, würde ich noch unter 3Stunden im Ziel sein. Das ist ein cooles Gefühl. Also bin ich einfach weitergerannt. Gut, ich war nach dieser Distanz auch nicht mehr auf Wolke 7 und hab wohl gemerkt, dass die Beine langsam dick werden. Aber ich hatte weder Hunger, noch Durst oder Krampfansätze. Also Brust raus, Rücken gerade und nicht die Kontrolle verlieren, nochmal konzentrieren.
Eppendorf war dann nochmal ein Highlight. Hier tobt die Menge, die Stimmung ist einfach unfassbar. Noch vier Kilometer. Ein Klacks! Dennoch war ich vorsichtig. Wollte nicht unnötig einen Krampf riskieren. Außerdem war ich noch nie so schnell an dieser Stelle. Also noch mal konzentrieren und weiter. Runter zur Alster, die Alte Raßenstraße hoch (ächtz) und wieder runter zum Dammtor. Noch zwei Kilometer. Lächerlich.
Noch eine lange, langsam ansteigende Gerade. Der Gorch-Fock-Wall. Hier kommt Svensson und niemand wird ihn stoppen. Vorbei am Sievikingplatz, vorbei an der Gnadenkirche und dann auf die Zielgerade. KM42.
Noch 195 Meter auf dem roten Teppich. Letzte Tempoverschärfung mit großem Schritt und aufgerissenen Augen. Ein Blick auf die große Uhr. 2:52Std. Hoch die Arme, ich hab es geschafft. Einfach nur geil!